Ein Besuch beim 20. Europäischen Blasmusikfestival im September 2017
In Bad Schlema im Erzgebirge kamen 15 internationale Blasmusik-Orchester und an drei Tagen gut über 15.000 Zuhörer zusammen
Blasmusik ist nicht jedermanns Sache – die meisten Zeitgenossen, darunter auch etliche Patrioten, haben musikalisch Rock, Pop, Gothic/New Wave, Jazz oder gar Metal als Kunstersatz gefunden. Mir selber war das immer zu wenig und wie viele andere suchte ich etwas, was eher auf unsere Wurzeln zurückgeht und auch von Rhythmus und Harmonie uns verwandter sind. In dieser jahrzehntelangen Suche fand ich als europäische völkerverbindende und bodenständige Musik die Blasmusik. Eine Musikrichtung, die man heute vergeblich in den Radiosendern der BRD suchen kann, was auch politisch begründet ist. Mir ist klar, für viele ist die Blasmusik rückständig oder zu traditionell, für manche fast verstaubt und spießig. Dabei trägt der Spießer von heute aber schon lange Baseball-Kappe und hört als Alt-68er Beatles und Rolling Stones. Moderne Musikfestivals wie z.B. das „SMS – Sonne, Mond und Sterne“-Großevent in Saalburg an der Saale mit gut 80.000 Technozapplern, Schnell-Beat-Fans und Massendrogenkonsum nebst Flucht von Einheimischen für vier Tage und ein Müllberg wie nach einen Tsunami lassen mich manchmal fragen, ob ich zu alt für neue Musik-Erkenntnisse bin oder ob die BRD-Gegenwarts-Zombies allesamt total verrückt geworden sind. Welch ein Gegensatz dazu ist das größte Europäische Blasmusikfestival, welches heuer zum 20. Male und als Internationales Musikfest zum 26. Male in Bad Schlema im Erzgebirge stattfand. Aus dem Blasmusikkreis der Erzgebirgischen Bergmannskapellen zurückgehend hat man nach der kleindeutschen Wiedervereinigung hier bescheiden zu einem Musiktreffen geladen, welches inzwischen mit etwa 750 Musikern aus 12 Staaten mit weltbekannten Spitzenorchestern seines gleichen sucht. Grund genug, hier einmal genauer hinzusehen und sich in einem Großzelt mit 4000 Sitzplätzen und „Nonstop-Programm auf zwei Bühnen“ von morgens bis abends anzusehen. Jede Musikgruppe tritt etwa 35-40 Minuten auf.
Beginnen tut das ganze immer am Eröffnungstag mit dem Umzug der Kapellen und Vereine durch Bad Schlema und Einzug in das Zelt. Das Wetter war gut und die Polit-Prominenz natürlich dabei. Nach einem gemeinsamen musikalischen Auftakt aller Musiker mit dem Glück-Auf-Marsch beginnt das dreitägige Festival. Es folgt die offizielle Eröffnung mit Bieranstich durch den sächsischen Ministerpräsidenten Tillich. Schirmherr“in“ war heuer die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Dr. Eva-Maria Stange. Es folgen die üblichen Polit-Prominenten vom örtlichen Landrat über den Bürgermeister, dann dem Geschäftsführer der Brauerei, den Gewerkschaftsoberen, den Musikvereinsführern und auch Geschäftsführern von Sponsoren-Firmen. Das ganze wird vom MDR präsentiert und tontechnisch unterstützt, optisch auch auf Großleinwände übertragen.
Am ersten Tag/Freitag wird von 13 bis 24 Uhr dargeboten, am zweiten Tag/Sonnabend von 10 – 1 Uhr nachts, am Schlußtag/Sonntag von 9:30 bis etwa 19 Uhr. Es wird an mehreren Stellen Getränke und Essen angeboten, es gibt ein gesicherten VIP-Bereich und am Eingangsbereich sind Sicherheitsdienst und Polizei im Einsatz. Mir ist kein wie bei anderen „Events“ typischer „Zwischenfall“, ob nun durch Alkohol oder Streßfaktor, aufgefallen – alles war in guter Stimmung, es gab viel gute Laune und selbst zur Nachtstunde und gehobenen Alkoholpegel war keine „Leiche“ sichtbar. Es ist halt kein Ballermann und kein Woodstock-Ersatz.
Die erste Musikkapelle kommt aus Lacku, oder wie immer man das schreibt, in Zentral-Polen – eines der besten polnischen Amateurblasochester mit einem unaussprechlichen und extrem langen Namen. Es spielt klassische Stücke und beim Radetzky-Marsch ist bereits eine Superstimmung im Saal. Das geht ja gut los, dachte ich mir.
Die zweite Gruppe kommt aus Japan, das „University of Tokyo Wind Ensemble“. Es spielt eine Vielzahl von amerikanischen Film-Musikstücken, manchmal schon sehr modernistisch und eher ein Pop- statt Blasmusik-Orchester. Mir fällt auf, das das gesamte Zelt nicht einen Dunkelpigmentierten aufweist und die Studenten aus Tokio die einzigen Asiaten sind, die ich im Zelt sehe. Ich gebe zu, das habe ich lange bei größeren Menschenansammlungen nicht mehr erlebt.
Die dritte Gruppe kommt aus der Tschechei – aus Kolin – und ist das ehemalige Zentralblasorchester des Post- und Fernmeldeministeriums von Prag. Ein großes Orchester mit typisch bodenständiger Blasmusik. Diese haben wie viele tschechische Blasmusikgruppen auch Tänzerinnen, ähnlich Cheerleaders, dabei. Die großgewachsenen und hübschen jungen Damen, die durch das Zelt marschierten und dabei militärisch grüßten, waren schon ein echter Hingucker.
Das vierte Orchester war aus Schweden, das „Trelleborg Musikär“ war inzwischen zum 7. Male in Bad Schlema und ist ein Spitzenorchester. Als der bekannte Militärmarsch „Alte Kameraden“ gespielt wird, verläßt gerade der Ministerpräsident Stanislaw Tillich das Zelt – eine Realsatire. Es folgen Abba-Stücke – bei „Dancing Queen“, welches kraftvoll gespielt wird, kommt meinem Nachbarn der Hinweis „Das ist White-Power in Musik“ über die Lippen, während der andere mir unbekannte Nachbar etwas von unsterblichen Pop-Klängen spricht, die als Blasmusikfassung ebenso zeitlos sind. Bei „Fernando“ erlebt das Zelt seinen ersten „musikalischen Höhepunkt“. Es findet sich der NPD-Kreistagsabgeordnete Stefan Hartung ein, der mit anderen Regional-Politikern bei einem „Staats-Empfang“ war und uns aus dem VIP-Bereich aufsucht – selbst der sonst Patrioten nicht so wohlgesonnene Bürgermeister kommt am Bierstand vorbei und ist entspannter als sonst. Was Blasmusik so alles kann – vielleicht eine Anregung für Bundestags- und Landtagssitzungen?! Von einem CDUler höre ich die Frage, warum denn kein Orchester aus Haifa oder Jerusalem angereist wäre – Probleme haben die Leute…
Das fünfte Orchester kommt aus Österreich und ist die Knappenkapelle Oberzeiring mit Bergmannstradition. Neben traditionellen Stücken werden auch Neukompositionen eines 1986 geborenen Musikers gespielt – auch diese sind bodenständig und lassen hoffen – solange noch von relativ jungen Komponisten neue Klassik in Blasmusikform geschaffen wird, besteht für unser Volk noch Hoffnung. Es folgt der 92er-Regimentsmarsch von 1886, einer der schönsten deutschen Märsche. Als das Ernst-Mosch-Stück „Böhmischer Traum“ erklingt, ist es wirklich wie im Traum – ein bißchen Heimat, Menschen die aussehen wie Landsleute, Klänge der Heimat, Trachten und Dirndl, fröhliche Gesichter und das Gefühl hier und jetzt richtig zu sein – lange habe ich das nicht mehr so gespürt.
Die sechste Musikgruppe ist das Polizeiorchester von Zürich in großer Besetzung, darunter wie standhafte Wachsoldaten die Fahnenträger während des Auftritts zur Seite. Ein hervorragendes Amateur-Orchester, welches repräsentativ ein gutes Stück der Schweiz darstellt. Von diesen erklingt das „Glück-Auf“ – alle im Zelt stehen auf und singen mit – wo gibt es das noch? Bei Udo-Jürgens „Mit 66 Jahren“ und der von Peter Alexander bekannten „Die kleine Kneipe“ wird mir wieder bewußt, was für Schlager vor knapp 40 Jahren noch Standard waren und nicht mehr im Radio, aber dafür bei Blasmusikfesten noch daheim sind. Bei einem Neil Diamond-Stück wird im Publikum sogar getanzt. Bei „Schatzi schenk mir ein Foto“ stehen die Leute auf den Bänken. Bei „Marmor, Stein und Eisen bricht“ hat das Zelt den „zweiten Höhepunkt“.
Die siebente Gruppe kommt zum vierten Male nach Bad Schlema und ist die „Band and Drums of the Cheshire Constabulary“ aus Großbritannien. Dieses ehemalige Polizeiorchester hat inzwischen Mitglieder aus anderen Berufsbereichen und tritt auch mit einem eigenen „Drums Corps“, sprich Schlagzeug/Trommel-Gruppe auf. Grandios wird jedem Marsch- und Blasmusikfreund bewußt, das man positiv grenzenlos in Musik hier ein Europa der Kulturen und Regionen findet. Ein Trommelsolo offenbart auch Fähigkeiten abseits vom Rock mit einem Schlagzeug umzugehen. Es hat sich inzwischen der MDR-Moderator gemeldet – passend zum YMCA-Schlager der 70er Jahre. Meine Nachbarn klären mich auf – der Bursche in der Lederhose wäre vom anderen Ufer. Wieder ein Stück Realsatire. Die Briten geben sogar aufgrund des überwältigenden Beifalls eine Zugabe. Der „Glück-Auf-Marsch“ läßt den dritten Höhepunkt fühlen – das Zelt tobt. Und es ist erst 20:40 Uhr… .
Ohne Werbung geht nichts – 750 Musiker mit ihren Fahrtkosten und Kost/Logis wollen finanziert sein. Die Nickelhütte Aue „schenkt“ uns einen Werbefilm – nun ja , der Hauptsponsor darf sich ja auch mal zeigen. Nun folgt auch noch eine Laser- und Feuerschau – es fängt mit einem „Welcome“ in Großbuchstaben an – Musik aus der Konserve – es müßte von Hans Zimmer der „Fluch der Karibik“ gewesen sein. Mir kam es mehr vor wie der Fluch des Merkelstaates – Werbung, Anglizismen, eine zwar beeindruckende, aber völlig deplatzierte „Show“ mit überschnellen Computerbildern und einer Gasfontäne, die mir dem Witz von vorhin in Erinnerung rufen. Ich dachte fast, das Zeltdach an der Bühne flammt ab. Ich verkrieche mich vorsichtshalber an den Notausgang… . Besonders „niveauvoll“ fand ich den Gruß an alle Kapellen, denen ein Computerbild auf die Wand gezaubert wurde – sinnbildlich ein Motiv aus der Heimat der jeweiligen Gruppe. Für die Deutschen das Brandenburger Tor, für die Briten der Big Ben, für die noch zu hörenden Südtiroler den Vatikan und die Gondeln von Venedig – ist das jetzt Verdummung oder eine Verarsche der „Laser-Event-Company“ für die in Südtiroler Tracht (im Sarntal „Bairisches“ genannt) erschienenen Deutschsprechenden. Vermutlich muß man im CDU-Sachsen das halt schlucken… – ein Bier von Wernersgrüner, auch hier Sponsor“, hilft mir dabei…
Genau diese Musikgruppe ist die nächste, die achte Musikgruppe – die Musikkapelle Sarntheim, gegründet im Schicksalsjahr 1809 und somit eine der ältesten in Tirol. Das Durchschnittsalter der Musiker ist 31 Jahre – ungewöhnlich in heutiger Zeit. Diese „Italiener“ beginnen mit einem österreichischen Militärmarsch und spielen dann – vermutlich als Antwort auf die Gondeln von Venedig in der Schwachsinn-Lasershow die heimliche Hymne der Südtiroler Freiheitsliebenden „Du bist das Land, dem wir die Treue halten – weil du so schön bist, mein Tiroler Land“! Jetzt tobt der Saal vollkommen politisch unkorrekt. Traditionelle Weisen folgen. Bei der Zugabe werde ich erneut von einer Gruppe von Personen angesprochen – nein, ich heiße Müller und werde immer nur mit diesem seltsamen Liedermacher verwechselt. Das nächste Bier wird mir unter lautem Lachen überreicht. Es ist hier schon irgendwie anders als am Kölner Dom zur Silvester…!
Nun folgt als neunte Gruppe der Musikverein Stammheim (richtig, der Ort mit dem Hochsicherheitsgefängnis im Schwäbischen). Dieser Großverein mit Trachtenkapelle, Jugendkapelle und Tanzorchester hat ein Durchschnittsalter von 32 Jahren. Heuer wird etwas flotter aufgespielt – mit einem Queen-Potpourri, Marianne Rosenbergs „Er gehört zu mir“ (ob sich auch der Moderator angesprochen gefühlt hat?), Jo-Cocker-Songs, einem roten Büstenhalter am Mikro (spätestens hier kann man von verstaubter Musik nicht mehr sprechen) und „Never Rains In Africa“. Schon ein bißchen zu modern…
Die zehnte Musikgruppe sind aus Estland – Das „Pärnu Noorte Puhkpilliorkester“. Ein Zusammenschluß von Musikschülern verschiedener Schulen zu einem gemeinsamen, anspruchsvollen großen Orchester. Hier kann ich den Altersdurchschnitt nicht mal mehr ahnen – 19 Jahre? Mit dem Stück der „Dreigroschenoper“ („…und der Haifisch, der hat Zähne und die trägt er im Gesicht…“ – Berthold Brechts musikalischer Brech(t)reiz konnte man mich zwar nicht erfreuen, bei Wolfgang Petrys „Das ist Wahnsinn“ war ich dann aber wieder versöhnt. Das gut gemeinte „Alte Kameraden“ war etwas schräg gespielt – trotz allem beachtlich.
Die elfte Musikgruppe war das Landesbergmusikkorps Sachsen – das Musikkorps der Bergstadt Schneeberg. Ein sehr gutes und anspruchsvolles Orchester. Auch heuer etwas flotter mit der Melodie der „Blue Brothers“ und einem Udo-Jürgens-Potpourri. Bei „Schützenliesel“ ein weiterer Höhepunkt, das Zelt tobt. Auch von den Stones „Satisfaction“ durfte wohl nicht fehlen. Dieses Jahr wurde der Schwerpunkt auf moderne Blasmusik im Pop-Stil gelegt. Ich sehe einen etwa zehnjährigen Jungen, der bei der Musik als Zuhörer voll mitmacht, beim Rolling Stones-Stück aber nur verwundert vor sich hinsieht. Ob diese Irritation auch den Kapellenchef auffällt und im nächsten Jahr etwas anderes heraussucht? Nicht nur mir war es zu „modern“.
Die zwölfte Gruppe kommt aus Litauen – das „Smal Orchestra of Kybartai“, von der östlichen Grenze nach Königsberg/Kaliningrad. Beginnt mit einem Ami-Marsch. Gut gespielt, schade nur, das die Musiker nicht wie andere in Tracht oder Uniform, sondern in roten Schwitzhemden und Blue-Jeans auftraten. Schlagermusik folgt. Spätestens jetzt fällt mir auf, das selbst die Litauer mir optisch näherstehen als die meisten Bewohner von Hof/Saale, wo ich meinen Lebensmittelpunkt habe. Und nun machen die Südtiroler in Dirndl und Tracht zur Musik aus Litauen eine Polonäse durch das Zelt. Gerne möchte ich von dieser Begeisterung etwas in mein Oberfranken mitnehmen, wo man zumeist zum Lachen in den Keller geht…
Die dreizehnte und letzte Gruppe an diesem Festival-Eröffnungstag kommt aus den Niederlanden und sind die „D’Af en Toeters“. Eine ursprüngliche Karnevalskapelle, die sich besonders der Pop-Musik von The Police, Michael Jackson bis Madonna verschrieben hat. Ein Rauschmeißer mit Ballermann-Grundlage – es ist Mitternacht vorbei. Absolut hervorragende Musiker – leider total Amipop und im T-Hemde! Genial in der Gestaltung (fremddeutsch „Arrangement“), aber schon eher reiner Schlagerbereich und nur noch begrenzt mit echter Blasmusik zu vergleichen.
Ich stehe noch lange mit einem Pils in der Hand mit anderen Blasmusikliebhabern zusammen, sprechen über die Überfremdung, das MDR-Gesülze, die Polit- und Laserschau, gebe einige Autogramme und freue mich auf die CDs, welche ich von einigen Gruppen mitnehme. Der Sicherheitsdienst bittet um ein Ende (und um ein Autogramm von Herrn „Müller“ …). Mit tollen Eindrücken und einem Herzen voller Musik geht es hinaus – ob das andere Festivals auch ohne Drogen, 10.000 Phon-Hörschaden und Dosenbier schaffen?
Das nächste – somit das 21. – Europäische Blasmusikfestival findet vom 21.- 23. September 2018 in Bad Schlema im Erzgebirge statt. Manchem Patrioten und Zeitgenossen würde es auch guttun, statt dem x-te Rockkonzert mal ein Kontrastprogramm zu erleben. Dem Veranstalter wünschen wir ein glückliches Händchen bei der Musikgruppenauswahl und keine Angst, böse „Rechte“ könnten hier etwas „unterwandern“ – das haben die Schwarzen schon längst getan und werden es im Stile des Oktoberfest-Bieranstichs auch künftig CSU/CDU-gerecht tun. Und denen steht das erzgebirgische Heimatlied „Deitsch on frei wolln mer sei…“ von Anton Günther weniger nahe, als die Neuhymne der „Welcome Refugee“, welches als Altschlager von Lale Andersen da heißt „Ein Schiff wird kommen, und es bringt den einen, den ich so lieb‘ wie keinen und der mich glücklich macht…“!
Informationen zum Blasmusikfestival unter: www.bergmannsblasorchester.de