Was hat der Vizepräsident der Reichsmusikkammer mit der Compact Disc zu tun?

Die silberne Tonlichtscheibe wurde 25 Jahre alt – und hat eine unbekannte Geschichte

Wer das Schwert, das Rad, das Feuer, den Pflug oder das Segel erfunden hat, wissen wir nicht sicher. Bei der Buchdruckkunst, dem Grammophon, der Glühbirne oder Schallplatte sind wir schon sicherer. Doch wer war etwa der Erfinder des Kugelschreibers (Anne Franks Vater?) oder der CD (Compact Disc bezeichnet einen flachen, lichttechnischen Ton- oder Datenspeicher)?

Das Weltnetzlexikon Wikipedia verrät uns, daß seit den 70er Jahren sich verschiedenste Techniker etlicher Unterhaltungselektronikkonzerne an digitaler Tonaufzeichnung versucht haben. Die ersten Prototypen gründeten auf magnetischen Speichermedien, so wie etwa die klassische Musikkassette. Das erste Gerät auf dem Markt war 1977 eine Weiterentwicklung des Betamax-Videorekorders der japanischen Firma Sony. Doch dessen Größe und Störgeräusche bei der Aufnahme überzeugten nicht. So besserte Sony nach und entwickelte ein Spezialverfahren, um diese Störgeräusche zu beseitigen. Um dieses dann technisch zu prüfen, wurde eine heimliche Aufnahme einer Konzertprobe im Jahre 1978 von Herbert von Karajan gemacht, der dann später zu Sony eingeladen wurde, die Aufnahme zu beurteilen.

Zeitgleich arbeitete man bei der niederländischen Firma Philips an der Möglichkeit, mit optischen Aufzeichnungen Bildsignale zu speichern, was die bisherige magnetische Aufnahme revolutionieren sollte. Was lag also näher, diese neue Technik nun auch für reine Tonaufnahmen zu nutzen und diese als digitale Klänge zu speichern?! Dabei standen Philips wie auch Sony vor einer entscheidenden Schwierigkeit: Sie hatten einen neuen optischen Datenträger (genannt Laser Disc) ähnlich einer Schallplatte von 30 cm Durchmesser geplant. Bei bewegten Bildern konnte man darauf gut 30 Minuten Videoaufzeichnungen unterbringen. Für reine Tonaufnahmen würde dieses aber für über 13 Stunden Aufzeichnungen Platz bieten. Sony war sehr schnell klar, daß solche Mengen an Daten auf einem Speichermedium wirtschaftlich ungünstig und nicht vermarktungsfähig wären. Nachdem die Musikkassette (Compact Cassette) bereits 1963 von Philips eingeführt worden war, versuchten nun die Niederländer und Japaner hier einen gemeinsamen Standard herbeizuführen. Die Audiokassette maß 11,5 cm in der Diagonalen – die Ingenieure machten die CD um 0,5 cm größer.

Es gibt nun etliche Legenden um die Festlegung der CD-Größe – die bekannteste und auch schönste ist diese hier: Nach etlichen Anlaufschwierigkeiten und unterschiedlichster Vorstellungen schlug Sony auf Anraten des damaligen Sony-Vizepräsidenten Norio Ohga, ein ausgebildeter Opernsänger, vor, daß Beethovens Neunte Symphonie ohne störenden Wechsel des Tonträgers hörbar sein sollte. Ohgas Lieblingsfassung der Aufnahme stammte von Karajan und diese dauerte 66 Minuten. Die Techniker jedoch entschieden sich für die Fassung von Wilhelm Furtwängler, dessen Aufnahme aus dem Jahre 1951 genau 74 Minuten dauerte. Und genau 74 Minuten waren die Laufzeit des im Durchmesser 12 cm großen optischen Datenträgers. Bei Philips war man noch kritisch, meinte gar, dieses sei zu groß, da solche Datenträger nicht in Anzugtaschen passen würden. Sony ließ seine Entwickler darauf Anzüge aus aller Welt ausmessen und stellten klar, daß für solch eine Silberscheibe genügend Platz sei.

Der Siegeslauf der CD ist dann schnell berichtet – zumal der Industrie gute Gewinne winkten: Auf der Internationalen Funkausstellung 1981 in Berlin erstmals vorgestellt, begann im August 1982 in Langenhagen bei Hannover in der Produktionsstätte der damaligen Polygram die weltweit erste industrielle Herstellung. Und zwar des letzten ABBA-Albums THE VISITORS – und das noch, bevor im Oktober des gleichen Jahres der erste in Serie produzierte CD-Spieler auf dem Markt angeboten wurde. Bereits 1988 wurden über 100 Millionen CDs produziert – inzwischen ist die Menge ungezählt. Während früher noch das MADE IN GERMANY auf fast allen CDs stand, ist heute der Aufdruck MADE IN EU zu lesen. Die heutige DVD und MP3-Spieler werden vermutlich als Fortentwicklungen der CD diese ersetzen.

Was aber hat dieses alles mit dem Vizepräsidenten der Reichsmusikkammer zu tun? Dieser hieß Wilhelm Furtwängler (1886-1954) und war seit 1922 Leiter der Berliner Philharmoniker, 1931 und seit 1936 dauerhaft war er Dirigent der Bayreuther Wagner-Festspiele. Somit dürfte der Reichskanzler Adolf Hitler als Kunstfreund und Wagnerianer schon früh auf Furtwängler aufmerksam geworden sein, welcher durch seine Fähigkeiten weltweit sehr angesehen war und bei Gastspielen fast alle namhaften Orchester dirigierte. Nebenbei komponierte er noch und war der besagte Vizepräsident der Reichsmusikkammer. 1945 wurde er im Zuge der „Entnazifizierung”, besser der Entdeutschung, durch die Siegermächte mit einem Berufsverbot belegt und verlor alle Stellungen. Erst 1947 nach teilweise entwürdigen Behandlungen durfte er wieder auftreten. Als Dirigent genoß er unter den NS-Politikern großes Ansehen und trat im Zuge des Totalen Krieges mit seinen Musikern zur Aufbesserung der Kriegsmoral in Rüstungsfabrikhallen auf. Als der Großdeutsche Rundfunk am 30.04.1945 den Tod Adolf Hitlers bekanntgab, wurde Anton Bruckners Adagio aus der 7. Symphonie als Trauermusik gespielt – es war eine Aufnahme Furtwänglers.

Damit haben Ludwig van Beethoven als einer der bedeutendsten deutschen Komponisten, und Wilhelm Furtwängler, als der wohl weltgrößte Dirigent der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Grundlagen für eine neue Tontechnik festgelegt. Und selbst Adolf Hitler klingt leise nach… – doch wer der Pop und Rock-Generation in Turnschuhen weiß das schon?

Und noch ein trauriger Nachgeschmack:

1. Die deutsche Elektonik-Industrie war bereits Ende der 70er Jahre nicht mehr in der Lage, neue Entwicklungen zu beeinflussen und ist inzwischen längst aufgekauft.

2. Japanische Geschäftsführer besaßen schon vor 25 Jahren mehr Geschichts- und Kulturbewußtsein, als fast alle BRD-„Manager”. Ein Blick auf japanische und chinesische Touristen z.B. in Rothenburg o.d.Tauber in der Gegenwart bestätigt dieses.

3. Deutsche Musikkönner vom Schlage eines Furtwängler oder von Karajan sind inzwischen durch ausländische Dirigenten abgelöst worden. Und wo immer ein deutscher Kapellmeister die Medienbühne betritt, ist meist „zeitgenössische Klassik”, sprich unerträglicher Musikmüll angesagt. Jüdische Dirigenten wie Daniel Barenboim jedoch läßt Wagner sogar in Israel trotz politischem Druck erklingen.

4. Heute wäre es im Zuge der „political correctness” bei uns wohl unmöglich, daß „NS-belastete” Künstler die Grundlage für technische Entwicklungen beeinflussen könnten. Die Umerziehung ist bereits weiter fortgeschritten und hat tiefere Niederungen erreicht.

Dieses alles zeigt wieder einmal deutsche Größe der Vergangenheit und den Verfall und die Ohnmacht der Gegenwart – traurig, aber wahr. Und wenn die Traurigkeit mich einmal über den Zustand unseres Landes zu sehr trifft, höre ich mir in Ruhe eine Musikschöpfung besserer Tage an… – abgespielt von einer kleinen Silberscheibe.

Auch erschienen in:
Deutsche Stimme – Februar 2008 | www.deutsche-stimme.de

 

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